Tradition und Fortschritt verbinden
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4. Kapitel: Methodische Ansätze einer praktischen (normativen, pragmatischen und technischen) Politikwissenschaft
Fragestellung: Welche methodischen Ansätze benötigt eine praktische (normative, pragmatische und technische) Politikwissenschaft?
Ziel: Neue oder weiterentwickelte methodische Ansätze für eine praktische (normative, pragmatische und technische) Politikwissenschaft erläutern, explizieren, präzisieren oder rekonstruieren (vgl. 7. Schaubild).
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4.1 Ausgangspunkt: Methodische Ansätze mit empirischen und praktischen Elementen |
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Empirisch-methodische Ansätze(vgl.
von Beyme 2000 [1972]: 87-178, die folgende Gliederung wurde von mir vorgenommen):
- quantitative methodische Ansätze:
- behavioristischer Ansatz
- Rational-Choice-Ansatz
- quantitativ-vergleichender Ansatz
- qualitativer methodische
Ansatz:
- sowohl quantitative
als auch
qualitative methodische Ansätze:
- funktionalistischer Ansatz
-
historischer Ansatz
-
vergleichender Ansatz
Die empirisch-analytische Forschungsansätze beschreiben, erklären und prognostizieren nicht nur technische Analysen
über Ziel-Mittel-Relationen, sondern meinen auch
technische Regulierungen begründen zu können.
Politikwissenschaftliche Forschungsansätze (Schmitz/Schubert 2006a: 15-17), die Einteilung wurde von Sven-Uwe Schmitz und Klaus Schubert nach metatheoretischen Annahmen und nach
historischen Gesichtspunkten vorgenommen:
- normativ-ontologischer Forschungsansatz, in der Gründungsphase der Politikwissenschaft in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere Freiburger und Münchner Schule
- dialektisch-historischer Forschungsansatz, Ende der 60er Jahre Frankfurter Schule
- empirisch-quantitativerr (behavioralistische) Forschungsansatz, Mainstream der Politikwissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg
- pragmatischer Forschungsansatz kam zwischen 1975 und 1990 hinzu,
- empirisch-qualitativer
Forschungsansatz gewann in den 1990er Jahren an Einfluss
Der normativ-ontologische, der dialektisch-historische, der pragmatische Forschungsansatz und der empirisch-qualitative sind prämoderne Ansätze, die viel zu viele statisch-geschlossene Elemente enthalten (vgl. Lauer: praktische-wissenschaften.de. 1. Schaubild). So verneinen alle oben
angeführten Ansätze einen strukturellen Unterschied zwischen Sein und Sollen. Insbesondere eine professionell-moderne, differenzierte und spezialisierte Vorgehensweise ist daher kaum gegeben und kaum möglich. Für die beiden empirischen Forschungsansätze gelten die oben genannten Einschränkungen.
Bei allen oben beschriebenen Forschungsansätzen gibt es keine Trennung
zwischen empirischer und praktischer Vorgehensweise, wie es die aufgrund von methodologischen Gründen prinzipielle Trennung zwischen empirischen und praktischen Wissenschaften dies erfordert (vgl. Lauer: Lauer: praktische-wissenschaften.de. 5. Kapitel).
Weiterhin gibt es noch methodische Ansätze mit empirischen und praktischen Elementen:
Auch diese methodischen Ansätze berücksichtigen den strukturellen Unterschied zwischen empirischen und praktischen Werkzeugtypen nicht.
4.2
Eigene Position: Methodische Ansätze mit genuin praktischen Eigenschaften |
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Bei den hier vorgestellten methodischen Ansätzen (synoptischer, normativer, pragmatischer, technischer und dezisionistischer Ansatz) einer praktischen Politikwissenschaft wird der
strukturelle Unterschied zwischen den unterschiedlichen Wissensformen und
Wissenschaftstypen beachtet, da diese auf unterschiedliche Werkzeugtypen zurückgeführt werden können (vgl. Lauer: praktische-wissenschaften.de.
5. Kapitel).
Rein praktisch-methodische Ansätze:
- synoptischer Ansatz
- normativer Ansatz
- pragmatischer Ansatz
- technischer Ansatz und
- dezisionistischer Ansatz
Im Unterschied zu den anderen methodischen Ansätzen der Politikwissenschaft soll in diesen methodischen Ansätzen der strukturelle Unterschied zwischen den unterschiedlichen Wissensformen und Wissenschaftstypen beachtet werden, da diese auf unterschiedliche Werkzeugtypen zurückgeführt werden können.
4.2.1 Synoptischer Ansatz |
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Bevor man Regulierungsvorschläge vornimmt, muss eine Synopse (Gesamtschau) der Problemlagen vorgenommen werden, die man ändern will (vgl. 7. Schaubild).
Mit diesem Ansatz wird der
normative Rahmen eines politischen Systems diskutiert. Dabei sollen allgemeinverbindliche Handlungsmaximen wissenschaftlich begründet werden (vgl. 7. Schaubild).
4.2.3 Pragmatischer Ansatz |
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Ziel dieses Ansatzes ist es, die Handlungsstrategien zu eruieren, die für die Lösung von Problemen in einem Politikfeld nötig sind. Innerhalb der Sozialen Sicherheit geht es darum, Handlungsstrategien für die Risiken "Armut" und "Krankheit" zu entwerfen (vgl. 7. Schaubild).
Beim technischen Ansatz geht es um
praxistaugliche Instrumente, mit denen die Politik gestaltet wird. Das Stichwort lautet: "Sozialtechnologie“. Ziel ist es, den normativen Rahmen auszufüllen, den der normative und der pragmatische Ansatz vorgegeben haben, in konkrete Handlungsinstrumente und Handlungsanweisungen umzusetzen, die den konkreten Vollzug z.B. in der sozialstaatlichen Praxis regeln (vgl.
7. Schaubild).
4.2.5 Dezisionistischer Ansatz |
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Ausgangspunkt: Dezisionismus
"Der Dezisionismus repräsentiert jedenfalls am konsequentesten die Folgelasten, die sich für den Bereich des Praktischen ergeben, wenn man Wissenschaftlichkeit und Begründungsfähigkeit nur im Umkreis des theoretischen Erkennens finden zu können glaubt. Ein an der Dichotomie von Erkenntnis und Entscheidung orientiertes Begriffsraster erlaubt es indessen nicht mehr, die Probleme, mit deren Erörterung einst die
Philosophia practica befaßt war, ohne Verkürzung zu exponieren" (Wieland 1989: 7).
"Die conditia humana läßt es schlechterdings nicht zu, in irgendeinem Lebensbereich alle Regeln und alle Üblichkeiten gleichzeitig in Frage zu stellen" (Wieland 1999: 100).
Eigene Position: Dezisionistischer Ansatz
Hypothetische und gegensätzliche Handlungsmaximen, Handlungsstrategien und Handlungsinstrumente können
wissenschaftlich begründet werden. Für die Praxis bedarf es aber einer verbindlichen und konkreten Vorgabe, d.h., es sind definitive Antworten gesucht. Dieser Ansatz beschäftigt sich mit Entscheidungsmechanismen, um definitive Antworten zu finden, auf die konkretes Handeln aufbauen kann. Es wird erörtert, welche Handlungsmaximen, Handlungsstrategien,
Handlungsinstrumente oder Handlungsanweisungen für alle verbindlich zum Einsatz kommen sollen.
Weiterhin muss für die Folgen der Handlungen die Haftung übernommen werden.
Demokratische Entscheidungsverfahren geben eine definitive Antwort auf die Frage, was zu tun sei, gleichzeitig werden die Haftungsfragen geklärt und die Handlung wird damit auch legitimiert. Daher ist eine weitere wichtige Aufgabe der praktischen Politikwissenschaft die Begründung von politischen Entscheidungsregeln (z.B. normative Demokratietheorie).
Politische Entscheidungen werden auf der
EU-Ebene in politischen Institutionen (EU-Organe, Normungsorganisationen, Verwaltungen) von gewählten
Politikern und auserwählten Beamten unter Beteiligung von
nationalen und regionalen Institutionen, Parteien, Interessengruppen, Unternehmen und Bürgern getroffen. Dies gilt in der
Willensbildungs-, Entscheidungs-, Implementations-, Kontroll- und
Reformulierungsphase.
Politisch-praktische Entscheidungsdiskurse am Beispiel des
politischen Systems der EU (vgl.
Lauer 1993):
- Handlungsmaximen
auf der Verfassungsebene (Grundrechte, Ziele und Kompetenzen der EU-Ebene)
- Handlungsstrategien und Handlungsinstrumente der EU-Organe (Richtlinien, Verordnungen, Entscheidungen und Erklärungen)
- Handlungsinstrumente in Normungsorganisationen (CEN/CENELEC, ETSI)
- Handlungsanweisungen bei der Implementation (Kommission, nationale Gerichte und Verwaltungen, Interessengruppen, Unternehmen)
- Handlungsanweisungen bei der Kontrolle (Kommission, nationale Gerichte, EuGH, Rechnungshof).
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